Büchsenstraße 33
Für mich erreicht diese Musik immer die Tiefen des Leids, doch dann ist da etwas Höheres als man selbst, etwas Höheres als der individuelle Glaube und als das individuelle Leid. Irgendwie spürt man in dieser Musik immer die Anwesenheit Gottes.
Mit Andreas Keller, Intendant i. R. der Internationalen Bachakademie Stuttgart, 1. Vorsitzender des „Zeichen der Erinnerung e.V.“
Die Cembalistin Zuzana Ruzickova, in Stuttgart bekannt auch durch die Internationale Bachakademie, hat kurz vor Ihrem Tod 2017 ihre Autobiographie veröffentlicht, in der sie beschreibt, wie Bachs Musik ihr die Kraft gab, die Konzentrationslager des Hitler-Regimes zu überleben.
1927 in der Tschechoslowakei in eine jüdische, bürgerlich-wohlhabende Familie geboren, zeigte sich früh ihre musikalische Hoch-Begabung. Zur Zeit der Besetzung durch Nazi-Deutschland wurde sie 1942 mit ihrer Familie nach Theresienstadt, später nach Auschwitz deportiert, musste im KZ „Dessauer Ufer“ (Hamburg / Neuengamme) Zwangsarbeit leisten und kam zuletzt in das Lager Bergen-Belsen (Wenn Auschwitz die Hölle war, dann war Bergen-Belsen der dunkelste, abgründigste Ort der Hölle. Die Hölle aller Höllen). Von ihrer Familie überlebten nur sie – gemäß eigener Aussage dank Fredy Hirsch – und ihre Mutter diese Zeit. Ihr Vater und ihre Großeltern starben in Theresienstadt.
In den Folgejahren machte dann der Sozialismus ihr und ihrem Mann, dem tschechischen Kom-ponisten Viktor Kalabis, das Dasein zur Hölle. Ihre Karriere begann in der CSSR, der Durchbruch folgte in München 1956 mit dem Preis beim ARD-Musikwettbewerb, auf einem damals noch exotischen Instrument, dem Cembalo. Danach folgte eine internationale Karriere als Solistin, Duo-Partnerin und Dozentin.
In Stuttgart musizierte und lehrte sie erstmals 1979 bei der 1. Sommerakademie und danach regelmäßig. Durch ihr Engagement wurde 1987 eine erste „Bachakademie Prag“ möglich. Jahrzehnte war sie für die Neue Bach-Gesellschaft tätig. Als in den letzten Lebensjahren eine Krebserkrankung das Konzertieren unmöglich machte, berichtete sie unermüdlich in Schulen, Universitäten etc. als Zeitzeugin von den Schreckensjahren des Nationalsozialismus und wandte sich weltweit gegen den wieder aufflammenden Antisemitismus.
Die Biographie „Lebensfuge“ berichtet in zutiefst ergreifernder Weise vom Leben dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit, das Andreas Keller am 28.10. versuchen wird, nachzuzeichnen.
Mit Tonbeispielen
Anmeldung über Hospitalhof Stuttgart notwendig