Hermann Fechenbach

* 11. Janu­ar 1897 in Bad Mergentheim,
† 6. Dezem­ber 1986 in Den­ham, Buckinghamshire/England

Ein schwäbisch-jüdischer Künstler flieht nach England

Her­mann Fechen­bach wächst mit sei­ner Zwil­lings­schwes­ter Rosa und sei­nen Brü­dern Sieg­fried, Leo und Juli­us als Kind einer ange­se­he­nen Mer­gen­thei­mer Fami­lie auf. Sei­ne Eltern bewirt­schaf­ten den schon seit Gene­ra­tio­nen in der Fami­lie befind­li­chen Metz­ge­rei­be­trieb sowie einen Gast­hof. Der Vater Max Fechen­bach ist außer­dem Frucht- und Koh­le­händ­ler, Syn­ago­gen­vor­ste­her, Gemein­de­pfle­ger und Mit­glied des Israe­li­ti­schen Oberrats.

Her­mann Fechen­bach, »Der Führer«

Mit drei­zehn Jah­ren geht Her­mann Fechen­bach bei der Fir­ma »Hein­rich Herz, Kurz­wa­ren und Zigar­ren en gros« in Schwä­bisch Hall in die Leh­re. Neben­bei erlaubt man ihm, an einem Nach­mit­tag in der Woche für zwei Stun­den Zei­chen­un­ter­richt zu neh­men, der den Beginn sei­ner Lauf­bahn als Künst­ler dar­stellt. Nach einem Jahr als kauf­män­ni­scher Ange­stell­ter in Eschweiler/Rheinland besucht Fechen­bach in Erfurt die Deko­ra­ti­ons­schu­le und erhält in Dort­mund eine Stel­le als Deko­ra­teur. Im März 1916 wird er als Sol­dat in den Ers­ten Welt­krieg ein­ge­zo­gen, wo er durch Gra­na­ten­split­ter schwer ver­letzt wird. Bei Auf­ent­hal­ten in ver­schie­de­nen Laza­ret­ten muss ihm in meh­re­ren Ope­ra­tio­nen der größ­te Teil des Bei­nes ent­fernt wer­den. Nach sei­ner Gene­sung beginnt Fechen­bach, erst an der Kunst­ge­wer­be­schu­le und der Aka­de­mie der bil­den­den Küns­te in Stutt­gart, von 1920 bis 1922 dann in Mün­chen an der Staat­li­chen Aka­de­mie für Ange­wand­te Kunst zu stu­die­ren; von 1923 an ver­bringt Fechen­bach immer wie­der eini­ge Zeit im Aus­land, vor allem in Ita­li­en und Hol­land. In den Jah­ren von 1923 bis 1931/32 ent­steht ein Zyklus von 135 Holz­sti­chen zum Ers­ten Buch Mose. Fechen­bach ist von 1927 bis zu sei­nem Aus­stel­lungs­ver­bot im Jahr 1933 Mit­glied im »Deut­schen Künst­ler­bund« Stutt­gart und nimmt regel­mä­ßig an den Aus­stel­lun­gen im Würt­tem­ber­gi­schen Kunst­ver­ein teil. Zudem enga­giert er sich in der Jüdi­schen Gemein­de. Dort baut er, zum Teil auf eige­ne Kos­ten und anfangs auch gegen den Wider­stand inner­halb der Gemein­de, die Selbst­hil­fe Werk­ar­beit mit auf. Die Lehr­gän­ge – Fechen­bach unter­rich­tet hier auch selbst – sol­len vor allem Jugend­li­che mit der Ver­mitt­lung hand­werk­li­cher Fähig­kei­ten auf die Emi­gra­ti­on vor­be­rei­ten. 1936 wird Fechen­bach aus der »Reichs­kam­mer der bil­den­den Küns­te« mit der Begrün­dung aus­ge­schlos­sen, er besit­ze als Jude nicht die »erfor­der­li­che Eig­nung und Zuver­läs­sig­keit«. Auch die Aus­übung sei­nes Berufs als Maler und Gra­phi­ker wird ihm ver­bo­ten. Fechen­bach und sei­ne Frau Mar­ga­re­te, gebo­re­ne Batz­ke, eine Foto­gra­fin, die er 1930 gehei­ra­tet hat, beschlie­ßen nach Paläs­ti­na aus­zu­wan­dern und mel­den sich 1936 bei den zustän­di­gen Behör­den an, wer­den jedoch immer wie­der ver­trös­tet. In der so genann­ten »Reichs­po­grom­nacht« wer­den die Eltern Fechen­bachs über­fal­len und gezwun­gen, Bad Mer­gen­theim inner­halb von vier­und­zwan­zig Stun­den zu ver­las­sen. Sie zie­hen zu ihrem Sohn nach Stutt­gart. Die Lebens­be­dro­hung durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten ist offen­sicht­lich, daher nimmt die nicht-jüdi­sche Mar­ga­re­te Fechen­bach schließ­lich im Janu­ar 1939 in Eng­land eine Stel­le als Haus­halts­hil­fe an, so dass ihr Mann schon im Mai des glei­chen Jah­res nach­fol­gen kann. Fechen­bachs Eltern, die kurz­zei­tig bei der Toch­ter in Mün­chen gelebt hat­ten, fol­gen 1940 ihren bei­den ande­ren Söh­nen Sieg­fried und Leo nach Argen­ti­ni­en, wo sie bis zu ihrem Tod leben. Her­mann Fechen­bach wird 1940 unter ande­rem auf der Isle of Man – zusam­men mit Kurt Schwit­ters – für 10 Mona­te als »feind­li­cher Aus­län­der« inter­niert. Zwi­schen 1941 und 1945 ent­steht ein wei­te­rer Zyklus, der den Titel »My Impres­si­ons as Refu­gee« trägt. Wie­der auf frei­em Fuß zieht Fechen­bach mit sei­ner Frau 1941 nach Oxford, drei Jah­re spä­ter nach Lon­don, wo er künst­le­risch tätig ist und unter ande­rem als Restau­ra­tor von Por­zel­lan arbei­tet. 1962 zieht das Ehe­paar nach Denham/Buckinghamshire um, wo Her­mann Fechen­bach 1986 stirbt. sk

Her­mann Fechen­bach mit sei­ner Frau Mar­ga­re­te, 1937

Her­mann Fechen­bach: Die letz­ten Mer­gen­thei­mer Juden und die Geschich­te der Fami­li­en Fechen­bach. Stutt­gart 1972.