Siegfried Gumbel

* 22. Sep­tem­ber 1874 in Heilbronn,
† 27. Janu­ar 1942 in Dachau

»Die Zukunft wird besser, wenn wir besser werden«

Sieg­fried Gum­bel, Sohn des Ban­kiers Max Gum­bel, stu­diert in Tübin­gen Jura und grün­det nach sei­ner Pro­mo­ti­on im Jahr 1901 mit zwei wei­te­ren Juris­ten eine der renom­mier­tes­ten Heil­bron­ner Anwalts­kanz­lei­en. Er ist haupt­säch­lich in Zivil­pro­zes­sen tätig, ver­steht »es aber auch, in gro­ßen Straf­pro­zes­sen dank sei­ner Intel­li­genz, Schlag­fer­tig­keit und foren­si­schen Sicher­heit sei­ne Man­dan­ten klug und sicher zu ver­tei­di­gen.« Eini­ge Jah­re ist Gum­bel Vor­stand des Rechts­an­walts­ver­eins Heil­bronn. Im Jahr 1904 hei­ra­tet er Ida Rosen­thal, die weni­ge Jah­re spä­ter an Mul­ti­pler Skle­ro­se erkrankt; fort­an küm­mert sich Gum­pel inten­siv um sei­ne kran­ke Frau. Neben sei­ner Arbeit als Rechts­an­walt und dem Enga­ge­ment in der Fami­lie – inzwi­schen wur­de ein Sohn gebo­ren – ist er zudem sowohl inner­halb der jüdi­schen Gemein­de als auch kom­mu­nal­po­li­tisch aktiv. Seit 1920 ist er Vor­stand der Heil­bron­ner Orts­grup­pe des »Cen­tral­ver­eins deut­scher Staats­bür­ger jüdi­schen Glau­bens«, ver­mut­lich im sel­ben Jahr wird er Vor­stand der Heil­bron­ner Jüdi­schen Gemein­de. Als erfah­re­ner Jurist wirkt er zudem maß­geb­lich an der Aus­ar­bei­tung einer neu­er Ver­fas­sung für die »Israe­li­ti­sche Reli­gi­ons­ge­mein­schaft Würt­tem­bergs« (IRGW) mit, die 1924 in Kraft tritt. Danach ist er im Finanz­aus­schuss der IRGW aktiv. Gum­pel sieht schon früh hell­sich­tig die Gefah­ren des Natio­nal­so­zia­lis­mus und tritt daher seit den 1920er Jah­ren in Heil­bronn als Red­ner bei Gegen­ver­an­stal­tun­gen auf. Noch 1932 gelangt er als Nach­rü­cker in den Heil­bron­ner Stadt­rat, wo er sei­nen Ein­satz für Demo­kra­tie, Pazi­fis­mus und Huma­nis­mus trotz anti­se­mi­ti­scher Anfein­dun­gen fort­setzt. Mit der Gleich­schal­tung nach der so genann­ten »Macht­er­grei­fung« ver­liert auch Sieg­fried Gum­bel 1933 sei­ne Zulas­sung als Rechts­an­walt. Nach­dem die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Frak­ti­on den Antrag stellt, Sieg­fried Gum­bel das Gemein­de­rats­man­dat zu ent­zie­hen, legt die­ser sein Man­dat frei­wil­lig nie­der. Von 1933 an ver­tritt Gum­bel Otto Hirsch, den bis­he­ri­gen Prä­si­den­ten der IRGW, der in den Vor­stand der »Reichs­ver­tre­tung der deut­schen Juden« nach Ber­lin geht. 1935 folgt er ihm auch offi­zi­ell als Prä­si­dent der IRGW nach. Nach dem Tod sei­ner Frau im Jahr 1936 zieht Gum­bel nach Stutt­gart. In den Jah­ren 1937 und 1938 ist er jeweils für eini­ge Wochen zu Besuch bei sei­nem Sohn Erich in Paläs­ti­na, was er als vor­über­ge­hen­de Befrei­ung von den bedrü­cken­den Ver­hält­nis­sen in Deutsch­land emp­fin­det. In Paläs­ti­na hat er auch Kon­takt zu einem ehe­ma­li­gen Kanz­lei­kol­le­gen, der ihm – wie sein Sohn – zur Aus­wan­de­rung rät. Obwohl Gum­pel selbst aus­spricht, dass »im Lauf der kom­men­den Jah­re die Lage der Juden in Deutsch­land nicht halt­bar« sein wird, und er auch die kom­men­de Ermor­dung vor­aus­zu­ah­nen scheint, kehrt er nach Deutsch­land zurück. Sei­nen eige­nen Wor­ten zufol­ge wird er hier »gebraucht«. Nach den Novem­ber­po­gro­men von 1938 wird Sieg­fried Gum­bel für zehn Tage in Stutt­gart und Welz­heim inhaf­tiert, aber wie­der frei­ge­las­sen – Berich­ten von Freun­den zufol­ge als gebro­che­ner Mann. Den­noch hilft er jüdi­schen Mit­bür­gern auf jede nur mög­li­che Wei­se bei der Flucht aus Deutsch­land, wes­we­gen ihm die Gesta­po ein Devi­sen­ver­fah­ren wegen »För­de­rung der ille­ga­len Aus­wan­de­rung« anhängt. Gum­pel wird zu einer hohen Geld­stra­fe ver­ur­teilt. Doch sei­ne Arbeit, mög­lichst vie­len Juden die Flucht zu ermög­li­chen, setzt er – unter Ver­zicht auf sei­ne eige­ne Ret­tung – jedoch fort. Im Herbst 1941 wird er bei der Gesta­po denun­ziert, anti-nazis­ti­sche Wit­ze erzählt zu haben. Sieg­fried Gum­bel wird ins Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Dach­au depor­tiert, wo er am 27. Janu­ar 1942 umge­bracht wird. sk

Mar­tin Uwe Schmidt: Huma­ni­tät gegen Bar­ba­rei. Dr. Sieg­fried Gum­bel (1874 Heil­bronn – 1942 Dach­au). In: Jahr­buch des Theo­dor-Heuss-Gym­na­si­ums Heil­bronn. Heil­bronn 1988.