Alfred Moos

Erna und Alfred Moos im Sep­tem­ber 1936 auf dem Bal­kon ihrer ers­ten Woh­nung im Wes­ten von Tel Aviv

* 11. April 1913 in Ulm,
† 1. April 1997 in Ulm

»Ich habe gelebt und gearbeitet für eine bessere Welt«

»Zum ande­ren war man aber deut­scher Emi­grant […], der nie die Hoff­nung auf­gab, eines Tages in ein vom Natio­nal­so­zia­lis­mus befrei­tes mög­lichst demo­kra­ti­sches und mög­lichst sozia­lis­ti­sches Deutsch­land zurück­zu­keh­ren«, so beschreibt Alfred Moos 1979 sei­ne Posi­ti­on wäh­rend der Emi­gra­ti­ons­jah­re in Palästina.

Der Vater von Alfred Moos, ein Ulmer Kauf­mann, kehrt aus dem Ers­ten Welt­krieg als Pazi­fist und radi­ka­ler Demo­krat zurück, der sich aktiv für die Wei­ma­rer Repu­blik ein­setzt. Mit sieb­zehn Jah­ren tritt auch Moos dem Reichs­ban­ner »Schwarz-Rot-Gold« bei, des­sen Ulmer Orts­grup­pe sein Vater gegrün­det hat­te. 1931 folgt, mit Beginn des Jura­stu­di­ums in Hei­del­berg, der Ein­tritt in die SPD. Da er bei den Sozi­al­de­mo­kra­ten die nöti­ge Ent­schlos­sen­heit im Kampf gegen den Faschis­mus ver­misst, wech­selt er 1932 zur KPD-nahen »Roten Stu­den­ten­grup­pe«. Moos, der von 1932 an sein Stu­di­um in Ber­lin fort­setzt, erlebt dort die so genann­te »Macht­er­grei­fung« und den Reichs­tags­brand vor Ort mit. Über den Cha­rak­ter des neu­en Regimes macht er sich kei­ne Illu­sio­nen. Schon Ende Sep­tem­ber 1933 emi­griert er nach Groß­bri­tan­ni­en; ein Ziel, das maß­geb­lich von der ver­wandt­schaft­li­chen Unter­stüt­zung, dar­un­ter die Für­spra­che sei­nes Groß­cou­sins Albert Ein­stein, bestimmt wird, dank der er umge­hend eine Stel­le in Lon­don antre­ten kann. Es sind weit mehr Aben­teu­er­lust und die Hoff­nung auf bes­se­re Berufs­chan­cen als sei­ne Selbst­wahr­neh­mung als Jude, die ihn 1935 in das bri­ti­sche Man­dats­ge­biet Paläs­ti­na füh­ren. Auch hier eta­bliert sich Moos wirt­schaft­lich rasch. 1936 kommt sei­ne Ver­lob­te Erna Adler nach – bereits in Lon­don hat­ten sie zusam­men­ge­lebt –, die er noch im sel­ben Jahr heiratet.

Alfred Moos (drit­ter von rechts) in einem Strand­ca­fe in Tel Aviv mit Emi­gran­ten, 1942

Ungleich schwe­rer gestal­tet sich die kul­tu­rel­le und poli­ti­sche Ein­glie­de­rung in das neue Umfeld. Moos, des­sen Fami­lie in Ulm jüdi­sche Tra­di­tio­nen nur lose gepflegt hat­te, lebt auch in Isra­el nicht reli­gi­ös. Viel­mehr führt er sein Enga­ge­ment in der Sozia­lis­ti­schen Arbei­ter­par­tei fort, das er in Lon­don begon­nen hat­te. Er und eine Grup­pe gleich­ge­sinn­ter, oft deut­scher Juden ver­ste­hen sich vor allem als poli­ti­sche Emi­gran­ten und weit weni­ger als ras­sisch Ver­folg­te. Über die Zeit­schrift Ori­ent wer­ben sie für ihre Vor­stel­lun­gen, zu denen eine bina­tio­na­le, also jüdisch-ara­bi­sche Lösung für Paläs­ti­na zählt. Mit der Grün­dung des Staa­tes Isra­el 1948, den sie als jüdi­schen Natio­nal­staat sehen, nimmt daher die Distanz eher zu. Zugleich wächst mit dem Wie­der­auf­bau frei­heit­li­cher Struk­tu­ren in Deutsch­land die Opti­on, sich an der Schaf­fung eines neu­en und bes­se­ren Deutsch­lands zu betei­li­gen. 1953 keh­ren Moos und sei­ne Frau nach Ulm zurück. Bis zum Ende sei­nes Lebens enga­giert er sich in anti­fa­schis­ti­schen und sozia­lis­ti­schen Grup­pen, und hilft wesent­lich an der Auf­ar­bei­tung der NS-Zeit in der Donau­re­gi­on mit. Die Stadt ver­leiht ihm dafür 1988 die »Medail­le der Stadt Ulm«. Sein gro­ßes Enga­ge­ment erfährt auch Ent­täu­schun­gen, doch Moos resi­gniert nicht. In sei­nem Tes­ta­ment hält er fest: »Ich habe gelebt und gear­bei­tet für eine schö­ne­re und bes­se­re Welt des Frie­dens und der Mensch­lich­keit, und die Hoff­nung nie auf­ge­ge­ben.« hs

Alfred Moos, bis in die Gegen­wart der sozia­lis­ti­schen Bewe­gung eng ver­bun­den, bei der Demons­tra­ti­on am 1. Mai 1982 in Ulm

Clau­dia Dauer­er: Alfred Moos, ein Ulmer Jude auf der Flucht vor dem NS-Staat. Ein Bei­trag zur deut­schen Emi­gra­ti­on nach Paläs­ti­na. 2. Aufl. Ulm 1995 (Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum Obe­rer Kuh­berg – Manu­skrip­te, Bd. 2).