Überleben und Sterben

Würt­tem­berg war im 19. Jahr­hun­dert auch für jüdi­sche Bür­ger ein Aus­wan­de­rungs­land. Doch mit der Macht­er­grei­fung der Natio­nal­so­zia­lis­ten änder­ten sich von 1933 an ihre Beweg­grün­de: Was bis dahin wohl­erwo­ge­ne Aus­wan­de­rung aus wirt­schaft­li­chen Grün­den war, wur­de nun zur lebens­ret­ten­den Flucht. Zuerst flo­hen Künst­ler und Poli­ti­ker, wel­che in den Jah­ren zuvor den Auf­stieg der Natio­nal­so­zia­lis­ten bekämpft hat­ten. Nach den bru­ta­len anti­jü­di­schen Aus­schrei­tun­gen rund um die so genann­te »Reichs­po­grom­nacht« bemüh­ten sich dann fast alle noch in Deutsch­land leben­den Juden um Ret­tung ins Aus­land. Die Natio­nal­so­zia­lis­ten selbst rich­te­ten 1939 eine »Reichs­zen­tra­le für jüdi­sche Aus­wan­de­rung« ein. Schon von 1933 an wur­den die jüdi­schen Flücht­lin­ge sys­te­ma­tisch durch Ver­ord­nun­gen und Geset­ze ausgeraubt.

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Sie konn­ten von ihrem Besitz nur einen Bruch­teil ins Aus­land ret­ten. Jüdi­sche Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen hal­fen in der neu­en Hei­mat, die vor allem in den USA und Paläs­ti­na lag. Bis zum Ver­bot der Aus­wan­de­rung am 1. Okto­ber 1941 konn­ten rund sech­zig Pro­zent der deut­schen Juden fliehen.

1941 begann für die noch in Würt­tem­berg leben­den Juden der letz­te Akt in der anti­jü­di­schen Poli­tik der Natio­nal­so­zia­lis­ten. Ein­tau­send von ihnen erhiel­ten die Auf­for­de­rung, sich auf dem Kil­les­berg in Stutt­gart ein­zu­fin­den. Am 1. Dezem­ber 1941 begann am Inne­ren Nord­bahn­hof ihr Trans­port nach Riga, wo sie ermor­det wur­den. Was mit recht­li­cher Aus­gren­zung und Berau­bung des Besit­zes begon­nen hat­te, war zur sys­te­ma­ti­schen Ermor­dung geworden.

Bis in die letz­ten Kriegs­wo­chen folg­ten wei­te­re Züge vom Nord- und Haupt­bahn­hof in Stutt­gart. Ins­ge­samt rund 2500 würt­tem­ber­gi­sche Juden wur­den so nach Riga, aber auch nach Ausch­witz, The­re­si­en­stadt oder Iżbica trans­por­tiert. Dort wur­den sie erschos­sen oder in Gas­kam­mern ermor­det, star­ben an Hun­ger und Seu­chen. Ledig­lich rund ein­hun­dert­acht­zig von ihnen überlebten.

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