Leopold Marx

* 18. Dezem­ber 1889 in Stutt­gart-Bad Cannstatt,
† 25. Janu­ar 1983 in Shavej Zion/Israel

»Leben wächst aus Tod«

»Ein Leben war’s, und Hei­mat war’s und Leids/ und Glücks genug … Schön war’s, schlimm war’s –/ vor­bei!« Mit die­sen Ver­sen aus sei­nem Gedicht »Ent­rin­nen« ver­ab­schie­det sich Leo­pold Marx im Okto­ber 1939 aus sei­ner gelieb­ten Hei­mat­stadt Stutt­gart und ret­tet sich nach Paläs­ti­na. Marx gilt als bedeu­ten­der schwä­bisch-jüdi­scher Lyri­ker und Schriftsteller.

Marx ist der ältes­te Sohn von Edu­ard und Babet­te Marx, sie zäh­len zu den wohl­ha­ben­den Fami­li­en in Bad Cannstatt. Nach dem frü­hen Tod des Vaters muss der Zwan­zig­jäh­ri­ge als ältes­ter Sohn von vier Geschwis­tern die Lei­tung des Fami­li­en­be­triebs »Mecha­ni­sche Band­we­be­rei Gut­mann und Marx« mit Sitz in Bad Cannstatt und Neuf­fen (Kreis Ess­lin­gen am Neckar) über­neh­men. Wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs gerät Marx 1916 in drei­jäh­ri­ge fran­zö­si­sche Gefan­gen­schaft; hier ent­ste­hen sei­ne ers­ten Gedich­te. Her­mann Hes­se, der von Bern aus eine Kriegs­ge­fan­ge­nen-Für­sor­ge lei­tet, wird Marx’ För­de­rer und hilft beim Abdruck der ers­ten Gedich­te. Nach gelun­ge­ner Flucht aus Nord­frank­reich 1919 arbei­tet Marx wie­der im Fami­li­en­be­trieb, neben­bei ver­fasst er Ver­se und Arti­kel für ver­schie­de­ne Zei­tun­gen. Die Jüdi­sche Rund­schau und ande­re Blät­ter dru­cken sei­ne Arbei­ten, die stark von Marx’ zio­nis­ti­schen Über­zeu­gun­gen geprägt sind. 1926 grün­det er zusam­men mit sei­nem Freund Otto Hirsch den »Ver­ein Jüdi­sches Lehr­haus Stutt­gart«. Als die Syn­ago­ge Cannstatts in der Pogrom­nacht am 9. Novem­ber 1938 zer­stört wird, soll Marx der jüdi­schen Gemein­de sein Haus als Ersatz ange­bo­ten haben. Am 14. Novem­ber wird er für 18 Tage im Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Dach­au inhaf­tiert: »Der Dach­au­er Tod ist der Tod beim Appell …/ doch – es stirbt sich auch gut im Revier.« Anfang 1939 wird die Fir­ma ari­siert und die Fami­lie zum Ver­kauf ihrer Grund­stü­cke gezwun­gen. Nach einer zwei­ten Inhaf­tie­rung durch die Gesta­po im Mai 1939 rei­sen Marx’ Söh­ne nach Paläs­ti­na aus. Als der Dich­ter und sei­ne Frau Judith end­lich fol­gen kön­nen, sind, nach dem Aus­bruch der Zwei­ten Welt­kriegs, die zuvor gekauf­ten Kar­ten für die Über­fahrt ver­fal­len. Mit viel Glück kön­nen sie noch Tickets für einen Flug von Brin­di­si nach Hai­fa erwer­ben. Am 6. Okto­ber 1939 errei­chen sie Paläs­ti­na. Marx’ Mut­ter Babet­te und zwei ihrer Brü­der wer­den am 22. August 1942 nach The­re­si­en­stadt depor­tiert, wo sie inner­halb weni­ger Mona­te umkom­men. In Paläs­ti­na arbei­tet die Fami­lie im land­wirt­schaft­li­chen Kol­lek­tiv Shavej Zion, wo Marx in der Land­wirt­schaft tätig ist. Das Kriegs­en­de 1945 fei­ert Marx aus der Fer­ne: »Leben wächst aus Tod.« Zeit­le­bens schreibt der Schrift­stel­ler in sei­ner deut­schen Mut­ter­spra­che. 1964 erscheint sei­ne lyri­sche Über­tra­gung des »Lieds der Lie­der« in Reclams Uni­ver­sal­bi­blio­thek und wird vom Stutt­gar­ter Kom­po­nis­ten Georg von Albrecht ver­tont. In der Waib­lin­ger Stra­ße 12 in Bad Cannstatt, wo sein im Krieg zer­stör­tes Geburts­haus stand, erin­nert seit 1985 ein Gedenk­stein an den Künst­ler. cp

Leo­pold Marx: Franz und Eli­sa­beth. Erzäh­lung. Ger­lin­gen 1989. S. 311ff. (Bio­gra­phie und Nachwort).