Elsa Ruth Rieser

* 30. Janu­ar 1892 in Laupheim,
† 1984

Einzige Überlebende des »Jüdischen Schwesternheims«

»Auf den Wer­ken der Men­schen­lie­be steht die Welt« – die­ser Leit­spruch des 1905 gegrün­de­ten »Jüdi­schen Schwes­tern­heims« in Stutt­gart wird auch zum Lebens­mot­to von Elsa Ruth Rie­ser, die dort eine Aus­bil­dung zur Kran­ken­schwes­ter durch­läuft. Die in einer Gemein­schaft leben­den Schwes­tern erhal­ten freie Kost, Logis und ein klei­nes Gehalt. Ihre Auf­ga­be ist die Pfle­ge und Betreu­ung kran­ker und alter Men­schen sowohl jüdi­scher als auch nicht-jüdi­scher Abstammung.

Im Ers­ten Welt­krieg sind die meis­ten Schwes­tern an der Front ein­ge­setzt, so auch Elsa Ruth Rie­ser, die in Seu­chen­la­za­ret­ten tätig ist. Der 1914 fer­tig gestell­te Neu­bau des »Schwes­tern­heims« in der Stutt­gar­ter Dill­mann­stra­ße dient wäh­rend die­ser Zeit als Laza­rett. Erst im April 1919, nach der Auf­lö­sung des Laza­retts, kann das neue Schwes­tern­heim in sei­ner eigent­li­chen Funk­ti­on ein­ge­weiht wer­den. Noch vor dem Ver­bot durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten wer­den die Schwes­tern immer sel­te­ner in nicht-jüdi­sche Haus­hal­te geru­fen. Nach der so genann­ten »Reichs­po­grom­nacht« im Novem­ber 1938 wird die Arbeit des Schwes­tern­heims durch Auf­la­gen und Ver­bo­te immer mehr erschwert. Das Haus ist schließ­lich haupt­säch­lich ein Mas­sen­quar­tier für alte jüdi­sche Mit­bür­ger. Im Jahr 1941 wird es end­gül­tig geräumt und das Gebäu­de der Hit­ler­ju­gend über­ge­ben. Die alten Men­schen wer­den erst in ein so genann­tes »Jüdi­sches Alters­heim« in die Hei­de­hof­stra­ße gebracht, spä­ter dann mit den ver­blie­be­nen Schwes­tern in ein Mas­sen­la­ger bei Dell­men­sin­gen in der Nähe von Ulm ver­schleppt. Im August 1942 wer­den sie nach Stutt­gart zurück­ge­bracht, wo die Schwes­tern des »Jüdi­schen Schwes­ter­heims« rund 950 alte Men­schen jüdi­schen Glau­bens aus den so genann­ten »Alters­hei­men« in Würt­tem­berg auf ihre Depor­ta­ti­on vor­be­rei­ten müs­sen. Die­se wer­den am 22. August 1942 vom Durch­gangs­la­ger Kil­les­berg aus nach The­re­si­en­stadt depor­tiert. Beglei­tet wer­den sie von vier der Schwes­tern, unter ihnen auch Elsa Ruth Rie­ser, die sich spä­ter erin­nert: »Es war ein Trans­port von rund 1200 Men­schen. Schon unter­wegs sind vie­le gestor­ben. Im Vieh­wa­gen ein­ge­pfercht, am Boden etwas Stroh und ohne Ver­pfle­gung, war die Fahrt eine Qual.« Von die­sen Depor­tier­ten über­le­ben nur vier das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger. Dort zieht sich Rie­ser im Dienst als Schwes­ter durch schlech­te hygie­ni­sche Ver­hält­nis­se eine schwe­re Blut­ver­gif­tung zu, die sich nicht stop­pen lässt. In zahl­rei­chen Teil­am­pu­ta­tio­nen ver­liert sie schließ­lich ihren gan­zen Arm. Erst nach Mona­ten kann sie wie­der auf­ste­hen. Rie­ser wird in den letz­ten Mona­ten des Ghet­tos The­re­si­en­stadt noch zu medi­zi­ni­schen Ver­su­chen her­an­ge­zo­gen, wodurch sie zwei­mal den Trans­por­ten nach Ausch­witz ent­ge­hen kann. Nach der Befrei­ung The­re­si­en­stadts kommt Elsa Ruth Rie­ser als ein­zi­ge Über­le­ben­de des »Jüdi­schen Schwes­tern­heims« 1945 u. a. zusam­men mit Inge Auer­ba­cher wie­der nach Stutt­gart. sk

Maria Zel­zer: Weg und Schick­sal der Stutt­gar­ter Juden. Ein Gedenk­buch. Hrsg. von der Stadt Stutt­gart. Stutt­gart [1964] (Ver­öf­fent­li­chun­gen des Archivs der Stadt Stutt­gart, Son­der­band). v. a. S. 240f.