Barbara Traub, Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg
Grußworte
Verehrte Anwesende, ich möchte zu Ihnen einige Worte sprechen – ich bin darauf nicht vorbereitet – ich spreche also aus dem Stegreif zu Ihnen, aber Sie hören aus meiner Stimme die Betroffenheit, die ich mit Ihnen mitfühlen kann, an einem Tag, an dem wir an die Deportation der Roma und Sinti aus Stuttgart und Württemberg gedenken.
Ich selbst, die ich einer Gemeinschaft angehöre, die die Deportation, die Shoa erlebt hat, bzw. die über Eltern und Großeltern die Geschichte vermittelt bekommen hat und deren Erlebnisse und Erfahrungen Verstandes- und gefühlsmäßig mit sich trägt, ich kann mit Ihnen mitfühlen, was dieser Tag für sie bedeutet, ein Tag der Erinnerung an die vielen Opfer, die sie zu beklagen haben.
Es ist gerade dieser Platz hier ein würdiger Ort, an dem wir gedenken, ein Ort, der vor einigen Jahren hier als Erinnerungsstätte errichtet worden ist, um der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, um an die Opfer zu erinnern, die hier aus Stuttgart weggebracht worden sind, mitten aus dem Leben, mitten aus der Gesellschaft herausgerissen worden sind.
Wir sehen hier, wenn wir um uns herum sehen, Häuser. Die Menschen haben gesehen, was hier passiert. Und wenn wir heute hier gedenken, dann ist auch der Sinn darin, dass wir erinnert werden, die Mahnung an die heutige Generation und an die nächste Generation weiterzugeben: nicht wegzuschauen, sondern zu handeln, rechtzeitig zu handeln.
Jeder Gedenktag sollte eine Mahnung sein dafür, dass wir für die Zukunft gestalten, dass wir unsere Generation und die unserer Kinder dazu erziehen, nicht wegzuschauen, aktiv zu werden, wenn Menschen ausgegrenzt werden, wenn Menschen verfolgt werden. Deshalb, weil sie eine andere Hauptfarbe, eine andere Meinung oder eine andere Herkunft haben.
Deshalb appelliere ich an Sie heute, an dem Ausgang des Shabat, des jüdischen Ruhetags, nehmen Sie von diesem Tag, von dieser Gedenkstunde mit, wachsam zu sein, und jeder Ausgrenzung, die heute in unserer Gesellschaft stattfindet, Widerstand zu leisten und die Kraft zu haben, für uns alle eine Gesellschaft zu gestalten, die jeden anderen, jeden der in unserer Mitte lebt, mit hinein nimmt – eine Gesellschaft, die für alle da ist, und die jedem Raum gibt und in dem jeder sich entwickeln kann.
Publiziert in:
Zeichen der Erinnerung…
Auflage 2009 (S. 107)
← Dr. Christoph Palmer |
|