Gerhard Schumann

* 14. Febru­ar 1911 in Ess­lin­gen am Neckar,
† 29. Juli 1995 in Bod­man-Lud­wigs­ha­fen am Bodensee

Schriftsteller und Parteifunktionär

Ger­hard Schu­mann besucht die Evan­ge­lisch-theo­lo­gi­schen Semi­na­re in Schön­tal und Urach. 1928 erschei­nen ers­te Gedich­te in Zei­tun­gen und Zeit­schrif­ten. Zwei Jah­re dar­auf beginnt er ein Stu­di­um der Ger­ma­nis­tik, Geschich­te und Phi­lo­so­phie in Tübin­gen, das er spä­ter abbricht.
Noch im sel­ben Jahr tritt er der NSDAP sowie der SA und dem natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Stu­den­ten­bund bei. Rasch macht er Kar­rie­re: mit zwei­und­zwan­zig Jah­ren ist er 1933 bereits Bezirks­füh­rer des NS-Stu­den­ten­bun­des und Füh­rer der stu­den­ti­schen SA in ganz Würt­tem­berg. An der Gleich­schal­tung der Uni­ver­si­tät Tübin­gen ist er maß­geb­lich betei­ligt. Nach der so genann­ten »Macht­über­nah­me« setzt Schu­mann sei­ne Kar­rie­re als völ­kisch-natio­na­ler Schrift­stel­ler und Funk­tio­när im NS-Kul­tur­be­trieb fort. In rascher Fol­ge erschei­nen von ihm Gedicht­samm­lun­gen, die teil­wei­se hohe Auf­la­gen errei­chen. 1935 erhält er den »Schwä­bi­schen Dich­ter­preis«, 1936 wird ihm im Bei­seins Hit­lers, den er in vie­len Gedich­ten als Füh­rer des neu erstan­de­nen Rei­ches fei­ert, der »Natio­na­le Buch­preis«, die höchs­te lite­ra­ri­sche Aus­zeich­nung des natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Regimes über­reicht. Schu­mann nimmt als Frei­wil­li­ger am Frank­reich­feld­zug teil. Nach einer Ver­wun­dung kehrt er nach Deutsch­land zurück und über­nimmt 1942 die Chef­dra­ma­tur­gie am Würt­tem­ber­gi­schen Staats­thea­ter in Stutt­gart, ein Jahr spä­ter wird er ers­ter Prä­si­dent der Höl­der­lin-Gesell­schaft. 1944, nach der Schlie­ßung der Thea­ter in Deutsch­land, wech­selt Schu­mann in die Kul­tur­ab­tei­lung des SS-Haupt­am­tes und gerät beim Rück­zug in Kriegs­ge­fan­gen­schaft. Aus drei­jäh­ri­ger Inter­nie­rung ent­las­sen, setzt er schon 1949 sei­ne publi­zis­ti­sche Tätig­keit mit der Grün­dung des Euro­päi­schen Buch­klubs fort. 1962 grün­det er in Ess­lin­gen einen eige­nen Ver­lag, den Hohen­stau­fen-Ver­lag, um unter ande­rem ehe­ma­li­gen natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Autoren Publi­ka­ti­ons­mög­lich­kei­ten zu schaf­fen. Schu­mann wird zu einem Sprach­rohr der rech­ten Sze­ne, Zita­te aus sei­nem Werk fin­den sich bis heu­te auf ein­schlä­gi­gen Inter­net­sei­ten. Die Mit­glied­schaft in wei­te­ren natio­nal-kon­ser­va­ti­ven Ver­ei­ni­gun­gen folgt. 1974 erscheint Schu­manns Auto­bio­gra­fie Besin­nung. Von Kunst und Leben, die ihm zur Recht­fer­ti­gung dient. Dar­in wer­den ein­zel­ne Feh­ler des NS-Regimes, wie die Ermor­dung der Juden, zuge­stan­den, zugleich aber eini­gen weni­gen Akteu­ren an der Spit­ze zuge­schrie­ben. Sei­ne Fas­zi­na­ti­on für den Natio­nal­so­zia­lis­mus und für eine Erneue­rung des alten mit­tel­al­ter­li­chen Reichs aus völ­kisch-natio­na­len Wur­zeln unter einer Füh­rer­per­sön­lich­keit hält an. So trägt eines sei­ner spä­ten Gedich­te den pro­gram­ma­ti­schen Titel »Am Tag der Schmach ver­fasst anläss­lich des 17. Mai 1972«, mit dem der Revan­chist Schu­mann gegen die Ver­ab­schie­dung der Ost­ver­trä­ge durch die Regie­rung Brandt pole­mi­siert. iw

Karl-Heinz J. Schoeps: Zur Kon­ti­nui­tät der völ­kisch-natio­nal­kon­ser­va­ti­ven Lite­ra­tur vor, wäh­rend und nach 1945: Der Fall Ger­hard Schu­mann. In: Monats­hef­te für deutsch­spra­chi­ge Lite­ra­tur 91 (1999). S. 45–63.